Fern ab des Mainstreams bewegt sich die in Berlin wohnende und doch auf der ganzen Welt umherreisende Aroma. Nicht nur ihr einmaliges Gespür für das Zusammenspiel von tanzbarer elektronischer Musik macht sie zu einer interessanten Gesprächspartnerin. Immer wieder überzeugt DJ Aroma in den Clubs dieser Welt von Lissabon über Berlin bis Istanbul mit pulsierenden Sets die vor Liebe zum Detail und Groove nur so strotzen. Auch ihre im Studio geborenen Tracks gleichen wahren Soundperlen, die nicht nur im Club mit ein Gefühl warmer und mitreißender Ästhetik verzaubern.
Technoide Klanggerüste umgarnen lockere Grooves und dezente Vocaleinsätze – Aroma steht für einen Sound der Grenzen leichtfüßig überschreitet und auf die Tanzfläche zieht. Jeder Taktschlag erzählt unweigerlich von schweißtreibenden Clubnächten voller ausgelassener Lebensfreude. In ihrer Berliner Residenz dem bunten Ritter Butzke Club begeistert sie stets mit individuellen und nicht vorhersehbaren Sets, die jenseits der langweiligen Pfade des Mainstreams über die Freiflächen der elektronischen Musiklandschaft galoppieren als gäbe es kein Morgen. Wir haben uns mit Aroma mal über Techno, die Szene und Techno hatte vor allem in den Neunziger Jahren ein sehr quietschiges und „Rave“ beladenes Image – das hat sich ja komplett gewandelt. Mittlerweile ist Techno ja viel publikumstauglicher. Was glaubst du wo stehen wir mit Techno in zehn Jahren?
Ist eigentlich lustig, dass das ganze heute populärer ist, obwohl Rave so massenkompatibel klingt. Ich bin mir da auch nicht so ganz sicher, ob sich das gewandelt hat, ausser die Begriffe. Rave war Populär und ist es auch heute noch, ausserhalb von Berlin und Szenen wo sich die Leute ernsthaft mit Musik beschäftigen. Dort ist das ganze EDM/ Techno/Tranceding ja eher Grossveranstaltung bzw. Diskotheken geprägt. Die heissen jetzt nicht mehr so aber sie sind genaso wenig an Kultur interessiert wie früher. An solchen Orten geht es darum: wer kauft wieviele Drinks an der Bar und welcher DJ oder gute Ruf des Ladens bringt mir genug Leute dorthin, aber um Musik so im eigentlichen Sinn geht es da nicht. Im Stadion gehts dann eben um Ticketverkäufe und Merchandising. Wobei groß nicht gleichbedeutend mit schlecht ist, es geht um den nicht vorhandenen Anspruch vieler Veranstalter. Auf dieser Autobahn befindet sich Techno, vielleicht hats ja noch ne Abfahrt von diesem Highway to Hell und dann kann ich in 10 Jahren immer noch gerne tanzen gehen.
Man hat in Berlin oftmals den Eindruck, dass es schon seit langem eine Goldgräbermentalität gibt, die DJs jeglicher Erfahrung in die City treibt und genauso viele auch scheitern lässt. Bekommt man das eigentlich als in Berlin lebender Mensch hautnah mit?
Nö, ich weigere mich in diese Clubs zu gehen. Das schöne ist, ich muss es auch nicht es gibt einfach genug gute Alternativen. Und das Berghain ist sicher toll, aber ich erinnere mich auch sehr gern an alte Zeiten zu Anfang des Ostguts. Das war wild und frisch und experiemntell und ich hab die 2 Jahe als Resident DJ dort sehr genossen. Aber die Betreiber haben sich verändert und ich auch. Heute sind die interessanten Ecken im dicken B eben woandes, auch wenn die Parties in der Pamorama Bar z.B. sicher immer noch lustig sind, aber frisch und neu ist es eben nicht mehr. Ich will als DJ und Musikerin einfach nicht stehen bleiben und Trampelpfade aus dem Lonely Planet sind nunmal nicht avantgarde. Ausserdem hat Berlin soviele unterscheidliche Szenen, dass hier sicher jeder seine Szene findet und seine ganz eigene Geschichte erzählt – wenn er/sie sich nach einem Berliner 5 Tage Wochenende noch daran erinnern kann . Ich hab schon von Leuten gehört, die ein Jahr hier gelebt haben und danach immer noch kein Wort Deutsch konnten weil sie ausschliessclich mit ihren Kumples aus dem eigenen Sprachraum in den entsprechenden Clubs waren. Ist eben auch ein Berlinmodell, aber dass die mit den Locals nicht in Berührung kommen ist eben auch eine Folge dieser Enklavenhaltung. Ich selbst bin sowieso nicht so wahnsinnig viel hier weil ich ganz viele Gigs und Musikprojekte auf der ganzen Welt habe und wenn ich mal 2 Monate am Stück in Berlin bin, dann ist das für meine Verhältnisse schon lang.
Im Gegensatz zur Situation vor einigen Jahren dominieren nicht mehr ausschließlich die „Avantgarde“ DJs die Szene. Es gibt zwar dominierende Namen aber eben auch eine Menge angesehene Acts. Hat die Vorbild Funktion im Techno ein wenig an Gewichtung eingebüßt?
Hat die Avantgarde je dominiert ? Ich sehe schon seit vielen Jahren ziemlich viele Musterschüler am DJ Pult und nicht erst seit Hornbrillen populär sind. Kaum jemand von den jungen traut sich seinen eigenen Sound zu entwickeln, alle spielen den selben langweiligen Kram, der nicht aneckt. Aber das hat auch mit dem Überangebot an Djs und der Unterversorgung mit wirklich guten Clubs zu tun. Wie gesagt, heute ist die deutsche Technoszene ganz oft von Diskonasen bestimmt, die denken sie haben Ahnung, weil sie einen Markennamen ortografisch richtig auf einen Flyer bekommen, aber eigentlich geht es darum möglichst viel zu verdienen oder das Ego grösser zu machen, nicht um wirklich einen Schritt weiter zu gehen und Klangforschung zu betreiben. Ausdruck dessen ist z.B. dass es keine Ambient Floors mehr gibt. Wirft keinen Gewinn ab, kostet nur – also weg., aber Innovation sieht anders aus und folgt nicht immer nur einer Gewinnlogik.
Techno galt lange Zeit als sehr familiär und von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Das steigende Angebot an Partys und Musikschaffenden löst diese engen Barrieren ja immer mehr auf. Ist Techno überhaupt noch ein Rückzugsort vor dem alltäglichen Wahnsinn?
Was ist das für ein Ansinnen bei Festivals mit 100.000 und mehr Besuchern? Vielleicht muss man Techno einfach als legitimen Nachfolger von Stadion Rock ansehen. In den USA ist das ja schon so. Ich glaub das Problem heutzutage ist, dass zuviele Leute gemerkt haben wie schnell man mit EDM Geld verdienen kann und selbst der letzte Verpeiler heutzutage meint er müsse Parties machen, oder DJ werden, oder sich einen Produzenten suchen und dann DJ werden und die fremden Produkte als die eigenen vermarkten. Solange das Publikum da nicht den Mittelfinger hebt wird das so bleiben. Aber irgendwie kann man das Publikum ja auch nicht schimpfen, die wollen ja auch nur einfach gute Musik und die Produktionsbedingungen….naja, es ist kompliziert. Es ist eben heutzutage einfach zuviel Marketing im spiel.
Techno hat ja interessante Parallelen zum HipHop, vor allem was die Wurzeln und Herkunft betrifft. Die gegangenen Wege der beiden Musikrichtungen sind natürlich vollkommen unterschiedlich, wobei man die starke Kommerzialisierung des HipHop ja auch für Techno befürchten könnte, oder?
Kann ich nicht sagen hab seit 10 Jahren keine Ahnung mehr von Hip Hop. Aber ich Glaube das Geld an sich ist nie das Problem, es sind die Beweggründe, und das ist immer so im Kapitalismus. Es ist was anderes ob ich mit gutem Bio eine Menge Geld vediene als wenn ich eine kaputte Erde hinterlasse, das ist in der Musik genauso.
Mittlerweile produzieren EDM Größen wie Avicii die Musik für weltweit bekannte Bands wie Coldplay. Verkommt die elektronische Musik auf diesem Chart Niveau zu einem lächerlichen Zirkus?
Was kann da noch schlimmer werden. Das ist Pop und die entsprechende Industrie. Mich sowas zu fragen ist wie einen Bio Bauern zu fragen ob er große Supermarktketten doof findet. Sollte ich mal in die Bredullie kommen mit Avicii gebucht zu werden reden wir da nochmal drüber….
Was hat Dich an Techno immer begeistert und was hält Dich bei Ihm?
Techno ? Heisst das so was ich spiele? Ich weiss nicht. Beatport behauptet ja ich würde ca 10 unterschiedliche elektronische Genres spielen und produzieren. Ich mag Klang und ich mag dicke Bassdrums und ich mag 16tel Hihats und ich mag modale Musik mit wenig Melodie, bei der man mehr die Soundästhetik auslotet. Ich mag dunkle Clubs in denen Fotografieren verboten ist und nicht jeder Horst alle 5 Sekunden bei Facebook schreibt wie cool es ist, sondern wirklich Spass hat. Ich mag Parties, bei denen es um Musik geht. Ich mag Clubs, die von vielen gemacht werden und wo mehr Liebe als BlingBling drinsteckt. Vielleicht ist das Techno ? Vielleicht Deep House, eventuell Jazz ?
Dein aktueller Technolieblingstrack?
Nicht nur einer, dafür bin ich ja DJ ich bastle aus vielen unterschiedlichen Tracks einen homogenen Mix. Kann man hier anhören und einige auch runterladen unter djaroma.de
Vielen Dank.
Gern 😉
Quelle & Thx: Lars Kämmerer von Satzbrand