Fallen Revenge Angel, ein aufstrebender Produzent aus Karlsruhe, bahnt sich mit seinen kraftvollen Tracks einen eindrucksvollen Weg in die melodische Technoszene. In unserem Gespräch verrät er uns, wie seine Reise in die Welt des Technos begann, was ihn im Studio antreibt und warum dieses Genre für ihn mehr als nur Musik bedeutet.
Wie bist du dazu gekommen, elektronische Musik zu produzieren, und warum hast du dich für Techno entschieden?
Es fing eigentlich Alles um die Zeit meines Abiturs an – also vor etwa 7 Jahren. Ich habe dort erstmals angefangen, kontinuierlich Sport zu betreiben und Techno gab mir die Kraft am Ball zu bleiben. Dann, bei einer Geburtstagsfeier einer Freundin machte ein Kumpel einen Track von Worakls in die Playlist – genau genommen war es der Track “Mellotron“ – und ich war von der Musik so begeistert, dass ich gleich am folgenden Tag über den Künstler recherchierte und herausfand, was für ein Musikprogramm er zum Produzieren verwendet.
Also dachte ich mir in dem Zusammenhang, dass ich es auch mal gerne mit dem Produzieren solcher Tracks versuchen möchte. Abgesehen davon, habe ich mein Abitur in Musik gemacht und war schon etwas erfahren in Klavierimprovisation und auch im Spielen von Musik im Stile der Minimal Music (Phillip Glass & Co.) – die mir ebenso für den Einstieg in das Techno-Genre half. Mit der Zeit hörte ich mich auch in andere Genres der elektronischen Tanzmusik ein, aber Keines hat mich so sehr fasziniert wie Techno. Allerdings ist Psytrance mein nächstliebstes Genre.
Welche Künstler haben deinen Sound am meisten beeinflusst? Gibt es bestimmte Tracks, die dich besonders geprägt haben?
Eigentlich ist mein Techno u.a. eine Kombination aus dem Style von Boris Brejcha und Worakls. Auch sind es diese beiden Producer, die mich am meisten geprägt haben und dessen Musik ich bis heute am liebsten höre. Die Bassline ist an Boris orientiert, mit einer markanten Saw D und Automationen bei der Filterfrequency. Mit Worakls gibt es Überschneidungen bei der Instrumentierung. In bisher veröffentichten Tracks noch nicht so ersichtlich, aber bei weiterer Musik in der Schublade habe ich häufig Gebrauch von bspw. Streichinstrumenten mit reicher Harmonik gemacht. Als prägende Tracks nenne ich einfach mal von Worakls “Pandemonium“ mit seiner faszinierenden Cello-Bassline und “Mellotron“ mit dem tollen Glockenspiel. Bei Boris Brejcha ist mir bis heute der Track “Out of Brain“ als Lieblings-Techno-Track überhaupt geblieben. Ich höre ihn absichtlich nur ab und zu an, damit er für mich weiterhin als Favorite bleibt.
Was inspiriert dich beim Produzieren wie der Gemstone EP am meisten? Sind es Emotionen, bestimmte Stimmungen oder vielleicht sogar Orte?
Also ich versuche beim Produzieren immer eine geheimnisvolle und mystische Atmosphäre zu kreieren. Meistens beginne ich abends mit einer Session und arbeite dann die Nacht durch – wenn es dunkel und still draußen ist, ist das optimal. Produziert wird meistens zuhause oder wenn ich mal bei Freunden übernachte und es sich dort anbietet. Beim Produzieren selbst bin ich im Flow-State, vor allem der Arrangement-Prozess, also auch die kreative Anfangsphase des Produzierens motiviert mich ungemein. Um in diesem getriebenen State zu bleiben, geht am Anfang erstmal alles ganz schnell – am meisten Spaß an der Sache habe ich dann, wenn sich im Track selbst eine „dunkle oder böse Macht entwickelt“, ohne dabei eine schlechte Absicht gegenüber irgendjemanden zu haben natürlich.
Allerdings muss die Rhythmusgruppe zusammen mit der Bassline schon irgendetwas böse-klingendes in sich haben, hinzu kommen dann oft hypnotische oder sogar psychedelisch anmutende Leadsounds, die meiner Meinung ebenso gut einen “Bad-Trip“ auf Droge musikalisch nachstellen könnten. Aber das nur am Rande, meine Grundintention ist eigentlich gut, die Leute sollen zur Musik tanzen oder sich anderswo inspiriert dadurch fühlen.
Noch zum Thema Inspiration: Oft höre ich vor dem Produzieren eines neuen Tracks klassische Musik oder Filnmusik, jedenfalls etwas mit viel Melodie und reicher Harmonik. Das inspiriert mich u.a. für die einzelnen Stimmen im neuen Track, bspw. nehme ich bestimmte melodische Motive aus klassischen Klavierstücken als Bassline oder Lead-Melodie.
Wie gehst du an die Produktion eines Tracks heran? Hast du eine feste Struktur oder ist jeder Track ein neuer Prozess?
Eigentlich ähnelt sich der Entstehungsprozess schon in vielerlei Hinsicht bei den verschiedenen Tracks. Früher war das noch nicht so, da saß ich erstmal zwischendurch immer mal wieder an einzelnen Sounds oder Spuren und bastelte stundenlang an den Synthesizer-Einstellungen rum oder versuchte mit der richtigen Einstellung für Kompressor/Reverb/etc. ein besseres Mixing zu bekommen. Heutzutage, wo ich besser in diesen einzelnen Sachen bin und meistens recht schnell weiß, wie ich was zu tun habe in meiner DAW, hat sich der Produktionsprozess gewissermaßen „genormt“. Also zunächst suche ich mir eine Kick heraus – generell: Bei der Wahl bspw. des kompletten Drumkits nehme ich zunächst einfach die Sounds, die gerade so passen, eine spezifischere Auswahl und Bearbeitung folgt dann erst später, damit ich beim Arrangieren im kreativen Flow bleibe. Ich mach außerdem gleich Alles innerhalb der Arrangement-Ansicht in Ableton – also dort, wo die Midi-Clips schon im Zeitverlauf dargestellt sind – die Session-Ansicht, wo meist erstmal rumprobiert wird, welcher Sound zu was passt, nutze ich eigentlich garnicht.
Nach der Kick kommt dann meist die Bassline, die gerne eine vergleichsweise melodiehafte Linie spielt. Das wird dann zunächst erstmal für einen 1.5-2 min-Abschnitt dupliziert (Da ich meist zuerst mit 4 oder 8 Takt – Midi-Clips arbeite), anschließend kommen dann closed und opened Hihats, Snare, bzw. Claps und ggf. eine White-Noise als Zusatz. Und dann schaue ich mir das Ganze erstmal an und entscheide dann dem bisherigen Grund-Vibe entsprechend, wie und ob ich begleitende Pads integriere oder an welcher Stelle der Einsatz eines Lead-Synthesizers/-Instruments nun am besten passen könnte. Dem folgen dann noch das spielerische Arrangieren von den notwendigen Beat und Breakparts/+Build-Ups, wo ich bspw. die Bassline nach ein paar Minuten leicht verändere oder die verschiedenen Lead-Instrumente und ihre Zusammenstellung variiere.
Viele sagen, dass Techno ein sehr vielseitiges Genre ist. Wie siehst du die Entwicklung von Techno und wo siehst du deinen Platz darin?
Es haben sich in den vergangenen Jahren, bzw. schon seit der klassiche Detroit-Techno und andere ursprüngliche Ausprägungen des Techno durch neuere Subgenres ergänzt, vielleicht sogar ersetzt wurden, einige interessante und innovative Ansätze herausgebildet. Ich persönlich kategorisiere den Techno für mich nach den verschiedenen Stimmungen, bzw. Atmosphären, die er erzeugen kann. Und da gibt es ja Alles, von chilliigen Stilen, die gut bei einem Billiard-Abend im Hintergrund innerhalb eines Radio-Mixes laufen können, hinüber zu Techno, der wunderbar bei einer Strand-Party bei Sonneruntergang ertönt, bis hin zum dunklen Underground-Flaire bei irgendwelchen mehr oder weniger legalen Raves im Wald. Ich persönlich sehe mich und meinen Techno, bzw. auch meine zukünftigen Produktionen mehr in letzterem Beispiel wieder. In dunklen Waldszenen um 3 Uhr nachts, eine bunte Mischung von verschiedensten Leuten auf allen möglichen Substanzen, umhüllt von Dampf aus der Maschine und einem nicen LED-Setup. Und ich hoffe mal, dass mein Techno da irgendwie reinpasst – ich habe zwar schonmal nachts bei einem Rave im Wald aufgelegt, allerdings nicht mit der eigenen Musik.
Gibt es bestimmte VSTs, Synthesizer oder DAWs, die für dich unverzichtbar sind? Was ist dein technisches Setup?
Eigentlich halte ich es bis jetzt recht spartanisch. Bassline mache ich meist mit dem Operator-Synth, ein In-Stock Synthesizer von Ableton Live, oder auch mit dem (ebenfalls In-Stock) Waveshape. Bzgl. externer Software (Hardware habe ich (noch) nicht…Studentenleben halt – kein Geld) habe ich bis jetzt gerne schon öfters den Synthesizer “Monark“ von Native Instruments genutzt, ansonsten noch den Synth “ARP Odyssey“, sowie “Massive“ und “Sylenth 01“. Aber im Großen und Ganzen arbeite ich zu großen Teilen mit den Instock-Angeboten von Ableton.
Falls ich Filmmusik mache (was ich selten mache) benutze ich am liebsten Logic Pro, was Techno anbelangt, hat sich Ableton Live (neuerdings Version Suite 12) etabliert und das wird wohl erstmal auch so bleiben. Ergänzung: Bei den Effektgeräten greife ich gerne auch mal auf die Geräte von “Plug In Alliance“ zurück, die mir ein befreundeter Toningenieur empfolen hatte. Arbeiten tue ich aktuell mit einem Macbook Pro (2017) und den Beyerdynamics 770 DT Kopfhörern. Meine Boxen habe ich vor einiger Zeit aufgrund von Geldnöten verkauft, es waren aber die Yamaha HS8 – Monitore.
Wie sieht ein typischer Tag im Studio für dich aus? Bist du eher der spontane Produzent oder planst du deine Sessions?
Früher stand ich immer ca. 1 Stunde früher auf als normal und setzte mich an den Rechner, um meine Producing-Skills zu verbessern. Mittlerweile halte ich es eher spontan und produziere dann, wenn mich die Motivation/Inspiration packt. Wie schon erwähnt, entsteht das Grundkonstrukt meist über den Abend und die Nacht – da sitz ich dann auch mal 5-7 oder 8 Stunden fast ohne Pause am Macbook. Das Grundarrengement mache ich fast immer in einer Nacht oder ansonsten in zwei Sessions fertig, das Sounddesign und Mixing mache ich dann aber auch oft tagsüber. Sobald ein erstes Arrangement aufgrund einer erfolgreichen Nachtsession steht, widme ich mich in den darauffolgenden Tagen, meist tagsüber dann, den darauffolgenden Producing-Steps, wobei ich dann täglich durchschnittlich um die 2-4 Stunden damit verbringe.
Wie siehst du die Rolle der sozialen Medien in der heutigen Musiklandschaft? Wie nutzt du diese Plattformen, um deine Musik zu promoten?
Naja, bis jetzt habe ich mal ein paar Bilder oder Reels bei Instagram gepostet und habe knapp 500 Follower. Mein erster Post kam Ende Juli dieses Jahres. Natürlich haben die sozialen Medien einen unglaublichen Einfluss auf das persönliche Vermarktungspotential eines Künstlers und mir scheint es, als müsse man sehr viel Zeit in die Socials investieren, wenn man als Musiker oder Produzent weiter oben mitspielen möchte. Ich persönlich kann keine Liebesbekundung für Instagram, Tiktok und Co. aussprechen, mir ist es eher ein Graus, die ganze Zeit “Up to Date“ sein zu müssen und immer schön darauf zu achten, dass man genug postet, die Hashtags richtig gesetzt werden, usw. Ich möchte einfach Musik produzieren und Alles Andere was dann mit Vermarktung, Selbstdarstellung u.ä. zu tun hat, ist halt ein notwendiges Übel, welches ich eingehen muss.
Gibt es in naher Zukunft Veröffentlichungen, auf die wir uns freuen können? Arbeitest du bereits an einem Album oder einer weiteren EP?
Tatsächlich gibt es diesbezüglich noch etwas zu sagen: Nachdem dann die Gemstone EP released ist und ich somit bisweilen 3 Releases, bzw. 7 Tracks auf den Plattformen habe, werde ich vielleicht erstmal ein paar Wochen verstreichen lassen. Allerdings habe ich mir vorgenommen, noch dieses Jahr irgendwann mein erstes Album rauszubringen.
Dies hat den Grund, dass ich über die letzten Jahre recht viele Tracks nahezu fertiggestellt habe und es jetzt noch eine gewisse Anzahl an Tracks gibt, die nach einem letzten Mastering release-bereit wären. Und da ich für meine neueren Produktionen quasi „eine leere Leinwand“ möchte, also an die neuen Sachen herangehen möchte, ohne noch so viele Tracks in der Schublade zu haben, werde ich alle veröffentlichungsreifen Tracks eben in einem Album zusammenfassen. Spoiler-Alert: Es werden voraussichtlich 16 Techno-Tracks in einem Album sein, welches den Titel “Fantasy Tales“ tragen wird.
Welche Ziele hast du dir für die Zukunft gesetzt? Wo siehst du dich in fünf Jahren?
Also persönlich habe ich mir ein 50-Tracks-Ziel, bzw. vielleicht sogar ein 100-Tracks-Ziel gesetzt. Diese Idee ist noch recht jung, allerdings möchte ich bis zum Ende meiner Producing-Karriere mindestens 50 Tracks in meinem Repertoire haben, bestenfalls sogar 100 Tracks. Eine wirkliche Erklärung dafür habe ich nicht, aber die Zahl „100“ ist eben so eine wirkungsvolle Zahl, vor Allem auch in diesem Kontext. Vielleicht werde ich aber auch noch größere Producing-Abenteuer machen wollen, also in der Weise, dass ich auch mal andere Genres der elektronischen Tanzmusik oder sogar ein gänzlich anderes Genre produzieren möchte. Mal abwarten. In 5 Jahren…schwierige Frage. Früher war einige Zeit lang mein Plan, dass Techno, Producing, DJing und Feiern ohne Ende eine Lebensaufgabe für die 20er ist und ich dann mit Beginn des 30. Lebensjahres langsam anfange, mich auf andere Dinge zu konzentrieren, wobei die ersten Ideen in Richtung musikwissenschaftliche Forschung, sowie Komponieren von Filmmusik u.ä. gingen. Diesen Plan habe ich bis heute in gewisserweise immer noch. Aber ob ich dann wirklich komplett mit dem Techno aufhöre oder es mir vielleicht doch weiterhin so viel Spaß macht, dass die Sache weiterläuft bis ich 40 oder 50 bin…ich weiß es nicht, ich lass mich mal überraschen 🙂
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Quelle: Push Hard PR